Rache, Hass und innere Zerrissenheit- Es ist kaum zu glauben, doch schon im Jahre 431 vor Christus beschäftigte sich der griechische Dramatiker Euripides mit genau diesen Abgründen der menschlichen Psyche. Und diese Themen scheinen auch fast 2500 Jahre später noch hochaktuell zu sein: Dienstagsmorgens spielen in der Aula stets einige unserer J2 Schüler*innen fleißig und begeistert Theater. Voller Vorfreude erfuhr ich vor einigen Wochen, dass sie am 04.02.25 „Medea“ aufführen würden. In dem antiken, tragischen Drama wird eine Königstochter in den Mittelpunkt gestellt, die mit ihrem Geliebten Jason den Schatz ihrer Familie gestohlen hat und gemeinsam mit ihm floh. Daraufhin sind sie im damaligen Korinth bei König Kreon (Niklas Wagner) untergekommen. Doch womit Medea nicht rechnet: Jason (Gideon Weber) will Glauke (Romie Jülicher), Kreons Tochter, heiraten, obwohl das langjährige Paar zwei Kinder hat! Sie selbst soll diese zurücklassen und verbannt werden. Voller Wut, Trauer und Eifersucht startet sie einen Rachefeldzug: Am Tag der Hochzeit ermordet sie Kreon, Glauke und ihre beiden Kinder.
Beschäftigt man sich aber etwas tiefer mit der Thematik, stellt man fest, dass es sich eigentlich um die tiefe innere Zerrissenheit zwischen Medeas Gefühlen des Hasses und der Liebe Jason gegenüber handelt. Dies stellten die jungen Schauspieler*innen beeindruckend, clever und klar dar: Medea wird von drei verschiedenen Schülern*innen (Johanna Wüst, Maja Cukelji und Mia Westrup) gespielt, die jeweils ein anderes Gefühl wie etwa Kummer oder Hinterlist verkörpern. Dadurch konnte jeder einzelne Zuschauer nachempfinden, in welch verzweifelter und qualvoller Lage sich die Protagonistin befindet. Ihr einziger Halt ist die hier humorvoll dargestellte Amme (Rosalie Edler), die das Publikum sehr oft zum Lachen bringen konnte. Dem Stück wurden auch einige neue Rollen hinzugefügt: Zum einen ist das die eingebildete sowie clevere Hauptkommissarin (Annika Schlingemann), aber auch eine zweite Ermittlerin (Lara Keller), mit der sie gemeinsam den Fall des Kindsmords aufdeckt. Außerdem werden die Figuren von der rationalen Psychologin (Viktoria Heibel) beurteilt.
Im Gegensatz zur Uraufführung kam das Stück hervorragend beim Publikum an und wurde mit minutenlangem, stürmischem Applaus belohnt. Euripides war nämlich seiner Zeit aufgrund der Rolle der Medea, einer selbstbewussten, dominanten und mächtigen Frau, die dem damaligen Ideal der passiven Ehefrau nicht gerecht wurde, beeindruckend weit voraus. Vielleicht entschieden sich die Schüler*innen unter anderem deshalb für das Werk. Die Jungschauspieler*innen entließen das Publikum schließlich in die Nacht hinaus, indem sie die Frage aufwarfen, wer denn nun eigentlich die Schuld an den Morden trüge. Medea, die sie beging? Jason, der sie durch sein Handeln in eine Psychose getrieben hatte? Kreon, der die Qualen Medeas zuließ? Oder doch das tragische Schicksal des ehemaligen Paares? Dies sollte nun jeder für sich selbst beantworten. Was denkt ihr also? Wer ist verantwortlich für all das Leid? Auch wenn diese Frage sehr schwer zu beantworten ist, bedanken wir uns ganz herzlich bei dem Literatur-und-Theaterkurs, der Leitung Frau Bundenthal, den Hausmeistern und der Technik-AG, dass sie uns einen derart wunderschönen, bereichernden und unvergesslichen Abend bescherten!
Verfasst von: Johanna Heggemann, J1